Montag, November 3, 2025

Zölle sind ein Irrweg: BPI warnt vor Folgen für die Gesundheitsversorgung

Berlin (ots) –

Anlässlich der heute in Kraft getretenen US-Zölle in Höhe von 20 Prozent auf europäische Produkte warnt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) vor möglichen Folgen für die medizinische Versorgung: „Medizinische Versorgungssicherheit darf nicht zum Spielball geopolitischer Auseinandersetzungen werden. Handelshemmnisse wie Strafzölle schaden allen Beteiligten – Unternehmen, Gesundheitssystemen und am Ende sind vor allem die Patientinnen und Patienten die Leidtragenden. Zwar sind Pharmazeutika (Fertigarzneimittel) aktuell noch von den Zollmaßnahmen ausgenommen, allerdings scheint dies nur eine Frage der Zeit zu sein. Weitere Zölle drohen und schon jetzt ist der Gesundheitsbereich in mehrfacher Hinsicht betroffen – direkt und indirekt“, betont Kirst.

Medizinprodukte bereits betroffen

„Medizinprodukte unterliegen bereits den aktuell eingeführten US-Zöllen in Höhe von 20 Prozent. Auch bei ihren oftmals verwendeten Komponenten, wie Stahl- und Aluminiumprodukten, wird ein Zollsatz von 25 Prozent erhoben“, erklärt Kirst. „Fraglich bleibt, ob die US-Zölle sektoral und temporär weiter ausgeweitet werden. Inwieweit auch Kombinationen von Medizinprodukten und Arzneimitteln davon betroffen sein würden, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Ebenso wie Arzneimittel müssen auch Medizinprodukte von Handelskonflikten ausgenommen sein. Gleiches gilt für die Tiermedizin – für Tierarzneimittel und veterinärmedizintechnische Produkte“, betont Kirst.

Plasmaversorgung in kritischer Abhängigkeit

Ein besonders sensibler Bereich ist die Versorgung mit Blutplasma. „Die USA sind weltweit führend bei Plasmaspenden. Auch im Sinne der Patientensicherheit sind sie für Deutschland ein unverzichtbarer Partner. Rund 20 Millionen Liter Plasma werden jährlich aus den USA nach Europa geliefert. Europa selbst produziert nur etwa 8,8 Millionen Liter jährlich – bei einem Bedarf von etwa zwölf Millionen Litern. Der Rest muss folglich durch Importe aus den USA gedeckt werden“, erklärt Kirst.

„Während Europa zwar über die nötige Produktionskapazität zur Weiterverarbeitung des Rohplasmas in europäischen Fraktionieranlagen verfügt, mangelt es hierzulande jedoch an ausreichend eigenen Plasmaspenden. Zudem ist die Herstellung von Blutplasmaprodukten hochkomplex und erfordert eine lange Produktionsvorlaufzeit. Versorgungsengpässe werden erst nach etwa sieben bis zwölf Monaten sichtbar. Seit vielen Jahren weisen wir als BPI darauf hin, dass die Versorgungslage angespannt ist. Wir plädieren für unterschiedliche politische Hebel, um die Patientenversorgung mit Blutplasmaprodukten langfristig zu stabilisieren (vgl. BPI-Positionspapier: Liefersicherheit von lebenswichtigen Blutplasmaprodukten (https://www.bpi.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=73100&token=5116186512feea4920c551036d20fc59c2193baa))“, betont Kirst. „Zölle auf Vorprodukte wie Rohplasma oder Teilfraktionen als Form einer möglichen Gegenreaktion der EU würden die Situation zusätzlich verschärfen“, ergänzt Kirst.

USA: Bislang wichtigster Handelspartner für die deutsche Pharmaindustrie

Die USA sind für Deutschland sowohl der wichtigste Export- als auch Importpartner im pharmazeutischen Bereich. Die BPI-Pharma-Daten 2024 (https://www.bpi.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=81021&token=c94916c479598c5343e03f0f9ab7cebb46f9d64a) zeigen:

– Die USA sind sowohl Hauptabnehmer als auch Hauptlieferant pharmazeutischer Erzeugnisse.
– 23 Prozent aller deutschen Pharmaexporte im Wert von rund 26 Milliarden Euro gingen 2023 in die USA.
– Umgekehrt importierte Deutschland pharmazeutische Erzeugnisse im Wert von 74 Milliarden Euro, davon 12,4 Milliarden Euro (17 Prozent) aus den USA.

Ein Rückgang dieser Handelsströme hätte auch laut dem Ifo-Institut Konsequenzen: Allein im pharmazeutischen Bereich könnten deutsche Exporte in die USA um bis zu 35 Prozent einbrechen – mit potenziellen Folgen für Produktion, Beschäftigung und Forschung in Deutschland.

„Die Probleme sind vielschichtig: Zölle verteuern nicht nur die Einfuhren und damit den Marktzugang in den USA, sondern belasten auch das US-Gesundheitssystem selbst. Sie treiben die Kosten hoch und wirken sich auf die Bezahlbarkeit von Therapien aus. Am Ende sind vor allem die Patientinnen und Patienten die Leidtragenden“, sagt Kirst.

BPI ruft Politik auf: EU-Pharmastandort weiter stärken

„Wir verstehen die aktuellen Entwicklungen als Weckruf für die Politik, Abhängigkeiten erneut zu hinterfragen und den Pharmastandort Europa gezielt zu stärken. Unsere Industrie ist auf stabile, globale Lieferketten angewiesen“, betont Kirst. „Entscheidend ist jetzt eine entschlossene Industrie- und Standortpolitik. Unsere Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Zudem müssen wir unsere strategische Autonomie in alle Richtungen stärken – mit Blick auf Absatzmärkte, Importquellen pharmazeutischer Erzeugnisse und Handelspartner. Gerade bei der Gesundheitsversorgung muss der Schutz des Menschen im Vordergrund stehen – nicht der Zolltarif“, betont Kirst.

Pressekontakt:
Laura Perotti (Stellvertretende Pressesprecherin), Tel. 030 27909-131, [email protected]
Original-Content von: BPI Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, übermittelt durch news aktuell
Quelle: ots

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