Düsseldorf (ots) –
Anbieter „DocMorris“ schafft widerrechtlich Anreize, zu viele Medikamente zu bestellen
Mit Urteil vom 9. Dezember 2025 hat das OLG Karlsruhe eine von der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) gegen den niederländischen Arzneimittelversender „DocMorris“ erwirkte einstweilige Verfügung bestätigt, die es DocMorris untersagt, gegenüber Kunden für die Einlösung einer elektronischen Verschreibung einen Gutschein über 25 Euro auszuloben, der auch für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, die der Verbraucher mitbestellt, eingesetzt werden kann.
Das OLG Karlsruhe bestätigte, dass es sich bei einer solchen Werbung um eine produktbezogene Absatzwerbung handelt, die in den Anwendungsbereich des § 7 HWG fällt. Hierzu führt das OLG aus:
Für gesetzlich Versicherte – an die sich die Werbung richtet – beträgt die Selbstbeteiligung (Zuzahlung) für verschreibungspflichtige Medikamente in der Regel 10 % der Kosten, mindestens 5 EUR und maximal 10 EUR pro Medikamentenpackung.
Wenn nun lediglich ein verschreibungspflichtiges Medikament bei der Verfügungsbeklagten bestellt wird, würde der Restbetrag – die Differenz zwischen dem Gutscheinbetrag von 25 EUR und der Zuzahlung von maximal 10 EUR – ersatzlos verfallen. In diesen Fällen wird durch den streitgegenständlichen Gutschein in Höhe von 25 EUR ein Anreiz geschaffen, nicht lediglich das an sich benötigte, verschreibungspflichtige Medikament zu bestellen, sondern zusätzlich ein oder mehrere nichtverschreibungspflichtige(s) Medikament(e). Dies gilt umso mehr, als die Verfügungsbeklagte vorträgt, die Werbeaktion richte sich in erster Linie an zuzahlungsbefreite gesetzlich Versicherte – etwa chronisch Kranke – die Medikamente auf Vorrat bestellen. Damit ist die Aktion (auch) dazu bestimmt und geeignet, eine unzweckmäßige und übermäßige Verwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel zu fördern.
Nach Auffassung des OLG Karlsruhe liegt auch kein ausnahmsweise nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 HWG zulässiger Barrabatt vor, da nicht nur das Arzneimittel rabattiert werden soll, für das auch der Gutschein gewährt wurde, sondern eben weitere Arzneimittel. Insoweit mache es aber keinen Unterschied, ob dies in einem weiteren Kaufvorgang oder noch in demselben Kaufvorgang erfolge:
Es handelt sich damit anders als bei der Gewährung eines (möglicherweise zulässigen) Barrabattes nicht um einen unmittelbar wirkenden Preisnachlass, sondern vielmehr um einen zeitlich gestreckten Vorgang, der sich nicht substantiell davon unterscheidet, dass der Kunde einen Gutschein für einen nachfolgenden Bestellvorgang erhält. Es wird im Unterschied zu einem Barrabatt nicht nur der Preis für das an sich benötigte Medikament vermindert, sondern auch mit einem Vorteil beim (unmittelbar nachfolgenden) Erwerb anderer Waren – auch nicht verschreibungspflichtiger Medikamente – geworben, der in keinerlei Zusammenhang mit dem Erwerb des benötigten verschreibungspflichtigen Heilmittels steht. Dadurch, dass der Rabatt nur im Rahmen desselben Bestellvorgangs gewährt wird, besteht ein umso stärkerer Anreiz dafür, weitere Produkte – auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente – zusätzlich zu bestellen, um den vollen Vorteil auszuschöpfen.
Die Entscheidung setzt die Vorgaben des EuGH um, der in der jüngeren Vergangenheit Verkaufsfördermaßnahmen für europarechtlich unzulässig eingestuft hat, die den Verbraucher bei der Auswahl von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unsachlich beeinflussen können. Hierzu gehören auch bei der Einlösung von Verschreibungen ausgelobte Gutscheine, die dazu verwendet werden können, gleichzeitig Arzneimittel zu erwerben. Hierdurch entsteht die Gefahr, dass der Verbraucher ohne sachliche Prüfung, ob der Erwerb von weiteren nichtverschreibungspflichtigen Arzneimitteln erforderlich ist, diese schlicht mitbestellt, weil andernfalls der Gutscheinbetrag verfällt. Solche Geschäftspraktiken werden durch den EuGH als kritisch erachtet, da sie den Verbraucher von der sachlichen Prüfung abhalten erforderlich ist. Durch diese strenge Rechtsprechung will der EuGH den Fehlgebrauch von Arzneimitteln einschränken. Nach Auffassung des EuGH werden durch solche Verkaufsfördermaßnahmen der besondere Charakter des Produktes Arzneimittel, das insoweit nicht mit anderen Produkten vergleichbar ist, missachtet.
Die Apothekerkammer Nordrhein begrüßt die Entscheidung als konsequente Umsetzung der jüngeren EuGH-Rechtsprechung. Zudem wertet sie die Entscheidung auch als Auftrag, nun weitergehende Maßnahmen gegen den niederländischen Arzneimittelversender einzuleiten. Denn nach § 129 Abs. 3 S. 3 SGB V sind alle Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte als Sachleistungen nicht nur zur Einhaltung der in der nach § 78 AMG erlassenen Rechtsverordnung festgesetzten Preisspannen und Preise verpflichtet, sondern dürfen Versicherten auch keine Zuwendungen gewähren. Da die unzulässigen Gutscheine Zuwendungen sind, die zu dem Zweck eingesetzt werden, um Arzneimittelverschreibungen im Wettbewerb mit niedergelassenen Apotheken zu erhalten, dürften nach Auffassung der Apothekerkammer Nordrhein nun auch die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 129 Abs. 4 SGB V gegeben sein. Danach sind in den Arzneimittellieferverträgen vorgesehene Maßnahmen wie etwa Vertragsstrafen zu verhängen, sollte eine Apotheke bei der Einlösung von Verschreibungen Zuwendungen gewähren, die unzulässig sind.
„Es ist jetzt die Aufgabe der entsprechenden Stelle, ein Verfahren gegen DocMorris einzuleiten und insoweit die erforderlichen Maßnahmen zu verhängen. Allein das Verbot, in Zukunft derartig Zuwendungen nicht mehr zu gewähren, ist nicht ausreichend, um das Fehlverhalten zu sanktionieren“, so Dr. Bettina Mecking, Justiziarin und Geschäftsführerin der AKNR.
„Darüber hinaus ist zu prüfen, ob Verschreibungen, die durch die Gewährung derartiger rechtswidriger Zuwendungen zu dem Arzneimittelversender gelotst wurden, nicht durch die Kostenträger zu retaxieren sind“, ergänzt Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas, der die AKNR vertritt. „Die Arzneimittellieferverträge sehen vor, dass die Abrechnung einer Verschreibung zugleich die Erklärung enthält, dass diese ordnungsgemäß in die Apotheke gelangt ist – dies ist bei der Auslobung derartiger Gutscheine offensichtlich nicht mehr Fall. Hier werden die Krankenkassen prüfen müssen, ob sie nicht die in dem Zeitraum der Werbeaktion abgerechneten Verschreibungen retaxieren müssen.“
Die Entscheidung 14 U 49/25 ist rechtskräftig; insoweit besteht kein Rechtsmittel. DocMorris steht noch ein Hauptsacheverfahren offen.
Über uns: Apothekerkammer Nordrhein
Die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin der berufsständischen Selbstverwaltung der Apothekerinnen und Apotheker, die in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf arbeiten oder leben. Sie vertritt die Interessen der über 12.100 Kammerangehörigen, die in öffentlichen Apotheken, Krankenhäusern, Wissenschaft, Industrie und Verwaltung oder bei der Bundeswehr tätig sind. Die Apotheke vor Ort übernimmt eine hoheitliche Aufgabe: die sichere, vom Heilberuf getragene, wohnortnahe Versorgung der Menschen mit Arznei- und Hilfsmitteln, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.
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Quelle: ots


