Dortmund (ots) –
Eine Pille für das Herz, etwas gegen die Schmerzen und auch noch ein Schlafmittel: Insbesondere Seniorinnen und Senioren schlucken oft mehrere Medikamente am Tag, um gesundheitliche Probleme in den Griff zu bekommen. Nach einer aktuellen Auswertung der AOK NordWest für alle gesetzlich Krankenversicherten in Westfalen-Lippe nahm im 3. Quartal 2022 fast jeder fünfte Versicherte (18,3 Prozent) ab 65 Jahren täglich fünf oder mehr Wirkstoffe als unveränderte Dauermedikation ein. Der Anteil erhöht sich mit zunehmendem Alter: Bei den über 75-Jährigen sind es 22,8 Prozent und bei den über 85-Jährigen 27,6 Prozent. Regelmäßig sogar mehr als acht Wirkstoffe verwenden 10,9 Prozent der über 65-jährigen Versicherten. Hinzu kommen noch die Arzneimittel, die bei akuten Beschwerden eingenommen werden. „Die hohen Risiken der Wechselwirkungen bei der sogenannten Polymedikation können reduziert werden, indem die Gesamtmedikation des Patienten kontinuierlich erfasst und künftig noch konsequenter in einem Medikationsplan festgehalten wird. Dazu brauchen wir auch digitale Lösungen. Mit den Funktionen der neuen elektronischen Gesundheitskarte ist bereits ein Anfang gemacht“, sagt Tom Ackermann, Vorstandsvorsitzender der AOK NordWest.
Viele ältere Menschen in Westfalen-Lippe nehmen aufgrund verschiedenster Erkrankungen und Beschwerden dauerhaft mehrere Arzneimittel täglich ein. Bei regelmäßiger Einnahme von fünf oder mehr verschiedenen Wirkstoffen pro Tag handelt es sich um Polymedikation. Meist sind die einzelnen Medikamente an sich notwendig und sinnvoll. Kommen aber mehrere Wirkstoffe zusammen, kann es zu häufigeren Nebenwirkungen, unvorhergesehenen Komplikationen und ausgeprägten Wechselwirkungen kommen. Zum Beispiel kann bei der Einnahme eines Betablockers wie Metoprolol die neue beginnende Einnahme eines Antidepressivums die Wirkung des Betablockers erhöhen und damit den Blutdruck über das bekannte Maß hinaus senken. Auch die Kombination von Kaliumbrausetabletten mit einem Blutdrucksenker in Form eines ACE-Hemmers verspricht nicht immer Gutes: Dies kann zu einem überhöhten Kalium-Blutspiegel führen und damit Muskelschwäche und Veränderungen des Herzschlages auslösen.
Versicherte, die regelmäßig mehr als drei Wirkstoffe einnehmen, haben einen gesetzlichen Anspruch auf Ausstellung eines Medikationsplans in Papierform durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin. Dabei wird der Arzneimittel- und Wirkstoffname, die Dosierung, die Darreichungsform und der Grund der Verordnung aufgelistet. Den Medikationsplan sollten die Betroffenen beim Besuch ihres Arztes oder ihrer Ärztin oder der Einweisung in eine Klinik stets mit sich führen. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte können diese Informationen so bei ihren weiteren Verordnungen berücksichtigen. „Oft wissen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte untereinander nicht, was verordnet wurde. Mit dem Medikationsplan kann die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessert und Krankenhauseinweisungen aufgrund einer falschen Arzneimittelanwendung reduziert werden“, so AOK-Chef Ackermann.
In der Regel wird zunächst der Hausarzt oder die Hausärztin den Medikationsplan erstellen. Seit Juni 2022 können aber auch Apotheken im Rahmen der sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen ihren Kunden eine Polymedikationsberatung anbieten, wenn sie mindestens fünf Arzneimittel in der Dauermedikation erhalten. „Leider wird die Beratung bisher kaum genutzt. Dabei können die Versicherten von gezielten Medikationsanalysen profitierten und damit viele arzneimittelbezogene Probleme gelöst werden“, so Ackermann. Von Juni bis Dezember 2022 nahmen nur knapp 100 Versicherte der AOK NordWest in Westfalen-Lippe eine Medikationsberatung in einer Apotheke in Anspruch.
Sowohl in der Arztpraxis als auch in der Apotheke wird der Medikationsplan dem Patienten in Papierform ausgehändigt. Die AOK NordWest spricht sich aber für die stärkere Nutzung digitaler Lösungen in der Arzneimitteltherapie aus. Außerdem ist es bereits schon jetzt möglich, die Medikamenteneinnahme in einem elektronischen Medikationsplan zusammenzustellen und auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern zu lassen. Der elektronische Medikationsplan kann in einer Arzt- oder Zahnarztpraxis sowie in der Apotheke angelegt werden.
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