München (ots) –
Alles ist gut – das wünschen sich viele Menschen. Doch die Realität sieht meistens anders aus, obwohl so hart an der Perfektion gearbeitet wird. Ob das nun die harmonische Familie, die Bestleistungen im Sport oder Hobby, die Innovationen in der Arbeit oder ein hoher Beliebtheitsgrad im Freundeskreis ist: immer wieder scheitern wir an der perfekten Rolle. Der Perfektionismus hat seine Wurzeln im Gedankengut der protestantischen Ethik. Das Streben nach Vollkommenheit kann im Alltag sehr hilfreich sein, jedoch kann dies auch zu krankhaftem Perfektionismus führen. Dieser wird vom Umfeld als zwanghaft empfunden und schränkt die Betroffenen in ihrem Leben ein.
Ein Beispiel: Ferdinand, 26 Jahre, arbeitet als Konditor in einem angesagtem Café in einer deutschen Kleinstadt. Der Geselle hatte wegen seiner früher nicht erkannten Legasthenie nur die Mittelschule besucht, obwohl er sehr klug ist. Die Gesellenprüfung bestand er auf den zweiten Anlauf, was ihm viele schlaflose Nächte verschaffte. Sein ganzer Stolz sind nun die Kunstwerke an Torten, die er für die Kundschaft und Hochzeitsgesellschaften in unendlichen Stunden schafft. Ferdinand gilt nach außen hin als gesellig, lebt aber für sich und trifft sich selten mit Frauen alleine, denn er hat Angst, nicht zu genügen. Eine Beziehung ist er noch nicht eingegangen. Im Urlaub fährt er nicht weg und geht alleine große Bergtouren mit Kletterstrecken, die ihn an die Grenzen seines großen Könnens bringen. Als er eines Tages bei einer Schneewanderung von einem frei fahrenden Skitourengeher umgefahren und dabei schwer verletzt wird, bricht seine kleine Welt in sich zusammen. Monatelang kann er nicht arbeiten gehen, bis die komplexen Brüche wieder verheilt sind. In dieser Zeit stürzt er in eine große Depression. Ein Arzt in der Reha-Klinik initiiert begleitend zur körperlichen Stärkung eine Psychotherapie, welche Ferdinand die Wurzeln seines Perfektionismus erkennen lässt.
Ursachen des Perfektionismus
Je nach Charakter und Umfeld gibt es verschiedene Weisen, warum sich perfektionistische Persönlichkeiten entwickeln. Es sind oft die sensitiven und talentierten Menschen, die aus sich heraus hohe Ziele verfolgen und engagiert sind. Zumeist fördern ein strenges Elternhaus oder der Einfluss von autoritären Persönlichkeiten auf die Kinder oder Jugendlichen das Streben nach Vollkommenheit. Es können aber auch Einflüsse aus kirchlichen oder weltanschaulich geprägten Organisationen sein, die das verstärken. Das Verharren in den starren Strukturen prägt auch Erwachsene. Es kann auch der Umkehrschluss aus einer antiautoritären Erziehung sein, wenn im Erwachsenenalter die Reflexion zur Außenwahrnehmung einsetzt und man nicht mehr auffallen möchte.
Arten des Perfektionismus
Neben einem gesunden funktionalen Perfektionismus, der einem im Leben verhilft, Ziele zu erreichen und im sozialen Umfeld gut zurechtzukommen, gibt es auch andere Formen des dysfunktionalen Perfektionismus. Der Psychologe Nils Spitzer hat diese drei Arten beschrieben:
Selbstgerichteter Perfektionismus: Die von sich selbst verlangten Standards sind enorm hoch.
Sozialer Perfektionismus: Die hohen Standards werden als ständige Erwartungen aus dem sozialen Umfeld wahrgenommen.
Außengerichteter Perfektionismus: Man hat sehr hohe Erwartungen an das eigene Umfeld (Familie, Freunde oder Beruf) und zeigt deutlich, dass eine Missachtung der Standards inakzeptabel ist.
Der Fachmann definiert klinischen Perfektionismus so: „Er ist durch ein solches obsessives Moment definiert – belastender Perfektionismus entsteht, wenn unsere Ideale und Vorbilder nicht nur zu starr, sondern auch gebieterisch werden. Es ist eine Tyrannei hoher Maßstäbe, ein Exzellenzstreben, das durchdreht.“
Wege aus der Perfektionismusfalle
Der wichtigste Schritt ist die Selbsterkenntnis. Ob nun über die Rückmeldungen von der Familie, Freunden oder Kollegen oder über einen Selbsttest: Wer anerkennt, dass er bereits in die Perfektionismusfalle getappt ist, hat Chancen, aus ihr wieder herauszukommen. Es gibt verschiedene Wege, die je nach Persönlichkeit eine Verhaltensveränderung unterstützen. Spitzer empfiehlt, zu einer neuen Form des Selbstmitgefühls zu kommen.
Da Perfektionismus verschiedene Ursachen haben kann, kommt es auf die persönliche Geschichte an. Grundsätzlich sind beispielsweise folgende Therapierichtungen bei professionellen Therapeuten sinnvoll: Verhaltenstherapie, Familientherapie und Körpertherapie. Auch der Einsatz von Entspannungsverfahren, passend zur Persönlichkeit, ist hilfreich. Als erster Anlaufpunkt für das Anstoßen einer Therapie gilt der Hausarzt. Je nach Persönlichkeit können Ihnen eine professionelle Therapie in Einzelangeboten oder Gruppenformen weiterhelfen. Es hilft, von anderen zu erfahren, wo sie in ihrem Alltag scheitern und wie sie damit umgehen. Wenn jedoch Muster und Herkunft des Perfektionismus ergründet werden sollen, kann neben der Therapie auch eine längerfristige Begleitung in Form einer Seelsorge oder einem Coaching mit mehreren Sitzungen helfen.
Lesen Sie unser Dossier „Perfektionismus“ mit Tipps für entspannte Weihnachtsfesttage
https://www.therapie.de/psyche/info/ratgeber/lebenshilfe-artikel/perfektionismus/artikel/
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