Baierbrunn (ots) –
In vielen deutschen Krankenhäusern traut sich kaum jemand, offen über Machtmissbrauch und sexualisierte Belästigung zu sprechen. Dr. habil. Kara Krajewski, ehemalige Kinderneurochirurgin und derzeit Palliativärztin, durchbricht dieses Schweigen. Im Podcast „Frau Doktor, übernehmen Sie!“ von gesundheit-hören und Apotheken Umschau Pro erzählt sie Host und Umschau-Chefredakteurin Julia Rotherbl von ihren Erfahrungen in drei verschiedenen Kliniken.
„Für mich ist es schwierig, wenn ich Machtmissbrauch sehe, wenn ich sehe, dass auch Patienten gefährdet sind und man so was nicht ansprechen darf“, erklärt Dr. Kara Krajewski ihre Motivation, öffentlich über ihre Erfahrungen zu sprechen. Die habilitierte Neurochirurgin arbeitet heute als freiberufliche Palliativärztin auf Honorarbasis, weil sie dem toxischen Klinikbetrieb den Rücken gekehrt hat. Erfahrungen und Probleme, mit denen sie ganz und gar nicht allein ist: Zwischen 70 und 90 Prozent der Ärztinnen haben laut Umfragen bereits sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Mehr als die Hälfte sieht sich durch eine Schwangerschaft in ihrer Karriere behindert.
Karriereknick durch Mutterschaft
Als Krajewski mit 29 Jahren schwanger wurde, änderte sich alles schlagartig. „Alle waren schockiert“, berichtet sie. „Es war sowieso schwer genug, als Frau ernst genommen zu werden, in der Neurochirurgie, aber als Mutter war es quasi endgültig so, dass man mich nicht mehr fördern muss und dass ich einfach als persona non grata gelte.“ Was folgte, war drastische Ausgrenzung: „Ich wurde nicht mal angeschaut, ich wurde nicht mehr gefragt, ich wurde kaum noch für OPs eingeteilt.“ Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit wurde Krajewski trotz 40 Arbeitsstunden und Nachtdiensten systematisch benachteiligt. An ihrem freien Tag wurden ihre Patient:innen gezielt umgebucht, damit sie weniger Operationen für ihren Facharztkatalog sammeln konnte. Als sie das ansprach, waren die Reaktionen: „Na ja, ich bin ja Mami, ich habe ja Kinder zu Hause. Mein Mann verdient bestimmt genug.“
Krajewski schildert darüber hinaus zahlreiche Beispiele für sexualisierte Belästigungen: übergriffige Berührungen bei der OP-Vorbesprechung; männliche Kollegen, die in ihrer Gegenwart Pornos auf dem Handy schauten oder sie beim Umziehen beobachteten.
Das System schützt die Täter
„Oberärzte und vor allem Chefärzte dürfen die Dienste und die OPs einteilen, wie sie möchten. Sie dürfen Facharztkataloge in die Länge ziehen“, kritisiert Krajewski. Wenn Missstände gemeldet werden, „gibt es einfach kaum eine Instanz“, die eingreift. Die Neurochirurgin wandte sich an verschiedene offizielle Stellen – ohne Erfolg: „Wer was sagt, wird ausgeschaltet. Man hat bei dem System mitzumachen.“ Krajewskis Forderung: eine externe Kontrollinstanz. „Es darf nicht sein, dass die Gleichstellungsbeauftragte der gleichen Klinik solche Fälle prüft.“ Betroffenen Frauen rät sie: „Auf jeden Fall nicht aufgeben“ und „frühzeitig Rechtsberatung holen“.
Neuer Weg ohne Machtmissbrauch
Heute arbeitet Krajewski als Palliativärztin auf Honorarbasis ohne Vorgesetzte oder Hierarchie. Ihr neuer Job erfüllt sie. Zwar vermisst sie die Neurochirurgie, doch sie bleibt optimistisch. Ihr Ziel: „Dass sich endlich was ändert“ – für zukünftige Ärzt:innen, andere betroffene Frauen und die Patientensicherheit.
Das komplette Gespräch können Sie in der aktuellen Folge des Podcasts „Frau Doktor, übernehmen Sie!“ unter www.gesundheit-hören.de (http://www.xn--gesundheit-hren-ktb.de) anhören.
„Frau Doktor, übernehmen Sie!“ auf einen Blick
Julia Rotherbl, Mitglied der Chefredaktion der Apotheken Umschau, spricht mit Frauen aus der Medizinbranche und geht der Frage nach, wie sie Karriere gemacht haben, welche Hürden es gab und welche Lösungen sie für sich und andere gefunden haben. „Empowerment“ ist das zentrale Thema, denn Frauen in Führungspositionen sind in der Medizinbranche stark unterrepräsentiert. Die geteilten Erfahrungen sollen jungen Frauen Mut machen, ihnen Wege aufzeigen und sie beim Netzwerken unterstützen. „Frau Doktor, übernehmen Sie!“ ist ein Podcast von gesundheit-hören und erscheint unter der Marke Apotheken Umschau Pro, die sich an alle Professionals im Gesundheitswesen richtet und ganz konkrete, praxisrelevante Informationen für den Berufsalltag bietet.
Der Podcast ist u.a. bei Apple Podcasts, Spotify, YouTube sowie überall sonst, wo es Podcasts gibt, zu hören:
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