Freitag, April 26, 2024

Corona-Pandemie bringt EU an ihre Grenzen – Reformen notwendig

Hamburg (ots) –

Braucht die EU mehr Kompetenzen in der Gesundheitspolitik? Soll die EU-Kommission in Pandemien wie Corona eine stärkere Steuerungsfunktion erhalten? Diese Fragen beschäftigen Politiker und Bürger nun seit fast zwei Jahren.

Die Ausgangslage ist klar: „Für die Organisation und Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistungen und medizinischer Versorgung sind die EU-Länder zuständig. Die EU-Gesundheitspolitik dient somit nur als Ergänzung der einzelstaatlichen Strategien“, schreibt die EU-Kommission.

So weit, so unzureichend. Denn die Covid-19-Pandemie hat diese Arbeitsteilung schnell an ihre Grenzen geführt. Schon im Frühjahr 2020 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Alleingänge der EU-Staaten in der Corona-Krise heftig kritisiert. „Als Europa wirklich füreinander da sein musste, haben zu viele zunächst nur an sich selbst gedacht“, sagte sie.

Akt der Solidarität: Wiederaufbaufonds über 750 Milliarden Euro

Der größte gemeinsame Kraftakt der EU während der Corona-Krise hat mit Gesundheitspolitik wenig zu tun: Es war die Entscheidung für einen gigantischen „Wiederaufbaufonds“ von 750 Milliarden Euro. Damit sollen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in einem solidarischen Prozess abgefedert werden. Wegen der gemeinsamen Schuldenaufnahme ist der Fonds innerhalb der EU durchaus umstritten. Der deutsche Bundestag gab im März 2021 grünes Licht.

Zuvor waren mahnenden Stimmen immer lauter geworden. Der Erfolg der europäischen Partner werde nicht zuletzt auch daran gemessen, wie sie bei der Pandemiebewältigung zusammenarbeiten: „Dies ist eine existenzielle Krise für die EU“, sagte etwa der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, im Frühjahr 2020 der Wochenzeitung „Die Zeit“. „Diese Krise wird entscheiden, für wie nützlich die Menschen die EU halten.“

Fortschritte in der Gesundheitspolitik

Aber auch in der eigentlichen Gesundheitspolitik hat die EU reagiert. Von der Leyen und ihre Kommission stießen etliche Projekte an, um die Solidarität der 27 EU-Staaten zu stärken. Unter anderem wurde ein gemeinsamer Vorrat medizinischer Ausrüstung zur Behandlung von Covid-19 angelegt. Auch die Rückholaktionen im Ausland gestrandeter EU-Bürger in der Anfangsphase der Pandemie unterstützte die Kommission.

Gut ein Jahr später gibt es weitere Fortschritte: Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) soll auf Gesundheitskrisen wie die Corona-Pandemie in Zukunft schlagkräftiger reagieren können. Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich Im Oktober 2021 darauf, das Mandat der Behörde mit Sitz in Amsterdam zu stärken.

Damit es nicht wie zu Beginn der Corona-Krise zu Versorgungsengpässen mit Medikamenten und Medizinprodukten kommt, soll die EMA in Zukunft Lücken bei der Versorgung mit bestimmten Produkten überwachen und beseitigen. Die Behörde hat außerdem die Aufgabe, im Fall einer neuen Krise dafür zu sorgen, dass sichere und wirksame Medikamente entwickelt werden.

Vor der Corona-Krise war die Arzneimittebehörde EMA nur wenigen Europäern ein Begriff. In der Pandemie selbst spielt sie jedoch eine zentrale Rolle, weil sie unter anderem die maßgeblichen Empfehlungen für die Zulassung von Impfstoffen abgibt.

Gesundheitsunion

Nach der teils als zu langsam kritisierten EU-Reaktion auf die Pandemie legte die EU-Kommission vor knapp einem Jahr ein Paket für eine „Gesundheitsunion“ vor. Geplant ist, die Kompetenzen der EU-Gesundheitsbehörden zu erweitern und im European Centre for Disease Prevention and Control European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) zu bündeln. Zudem soll eine neue Behörde namens Hera zur Vorsorge von Gesundheitskrisen geschaffen werden.

Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte dazu: „Die Coronavirus-Pandemie hat ganz klar gezeigt, dass wir eine engere Koordinierung in der EU, resilientere Gesundheitssysteme und eine bessere Vorsorge gegen künftige Krisen brauchen. Wir müssen und werden anders mit grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren umgehen. Wir beginnen heute damit, eine europäische Gesundheitsunion aufzubauen, damit unsere Bürgerinnen und Bürger in einer Krise optimal medizinisch versorgt werden.“

Strenger gegen Impfskeptiker

Angesichts der erneut dramatischen Corona-Lage in einigen EU-Staaten will die EU auch mehr gegen Impfskepsis tun. Insbesondere Desinformationen in sozialen Netzwerken müssten bekämpft werden, hieß es Ende Oktober in den Schlussfolgerungen des EU-Gipfels in Brüssel. Zwar hätten die Impfkampagnen in Europa erheblichen Fortschritt gebracht. Dennoch bleibe die Lage in einigen Ländern sehr ernst.

Weitere Kompetenzen gefordert

Als Lehre aus der Corona-Krise fordert die EU-Kommission einen europäischen Pandemieplan für künftige Fälle. Zudem sollen die Kompetenzen der EU-Gesundheitsbehörden ECDC und EMA ausgeweitet werden. Damit bekäme die EU neue Hebel, Gesundheitskrisen zu managen, die mehrere EU-Staaten oder die ganze Gemeinschaft treffen.

Erstmals soll es die Möglichkeit geben, einen EU-Gesundheitsnotstand auszurufen und damit ein koordiniertes Vorgehen und zum Beispiel den Kauf und die Lagerung von wichtigen Gütern zu starten. Neben dem geplanten sogenannten EU-Vorbereitungsplan für Gesundheitskrisen und Pandemien haben die Mitgliedstaaten sich vorgenommen, auch nationale Krisenpläne aufzustellen, deren Einhaltung von EU-Stellen koordiniert und überwacht werden.

Generell soll die Infektionslage besser überwacht werden. Die EU-Staaten werden dazu verpflichtet, verlässliche und vergleichbare Daten zu liefern. Der Plan sieht vor, dass die EU-Gesundheitsbehörde ECDC in Stockholm diese Überwachung übernimmt und darüber hinaus mehr Kompetenzen bekommt. So soll sie den EU-Staaten Empfehlungen geben können, auch wenn diese nicht bindend sind. Die Idee ist eine sogenannte EU-Gesundheits-Task-Force, die die ECDC entsenden kann, um die EU-Staaten vor Ort zu unterstützen.

Globale Solidarität

Die Europäische Union hat bisher mehr als eine Milliarde Corona-Impfstoffdosen an andere Länder weltweit exportiert (Stand 18. Oktober). „Wir haben einen wichtigen Meilenstein erreicht“, sagte Kommissionschefin von der Leyen. Der Impfstoff sei seit Dezember 2020 in mehr als 150 Länder geliefert worden. Etwa 87 Millionen Dosen seien über die UN-Initiative Covax an Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen gegangen.

„Wir haben unsere Impfstoffe stets fair mit dem Rest der Welt geteilt“, betonte von der Leyen. „Wir haben genauso viel exportiert, wie wir für die Bürgerinnen und Bürger der EU bereitgestellt haben.“ In den kommenden Monaten will die EU mindestens 500 Millionen weitere Impfdosen an besonders gefährdete Länder spenden.

„Gesünder in die Zukunft“ – erfahren Sie mehr zur Gesundheitspolitik. Hier geht es zum Themenschwerpunkt „Gesundheit“ des Zukunftsforums. (https://futureu.europa.eu/processes/Health)

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Quelle: ots

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