Ingelheim (ots) –
Weltweit ist Bluthochdruck die Hauptursache für Schlaganfall, Herzinfarkt, Demenz, schwere Behinderung und vorzeitigen Tod. Ein hoher Blutdruck ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels unseres Stoffwechsels, welcher von genetischen und umweltbedingten Faktoren beeinflusst wird. Einer der Hauptumweltfaktoren ist die Ernährung und hierbei insbesondere die Aufnahmemenge von Natriumchlorid (Kochsalz). In der Wissenschaft gilt es als erwiesen, dass eine erhöhte Natriumchlorid-Aufnahme den Blutdruck erhöht, während Kalium ihn normalisiert. Eine Salzreduktion und der Einsatz eines kaliumangereicherten, natriumreduzierten Speisesalzes können die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um bis zu 80 % reduzieren. In der Schusslinie der Kritik ist dabei meist ausschließlich Natrium – zu Unrecht.
(Natrium-)Chlorid erhöht den Blutdruck – Natriumcitrat als bessere Alternative?
Es gibt immer mehr Belege dafür, dass der Chlorid-Anteil aus Natriumchlorid eine sehr wichtige Rolle bei der Entstehung von Bluthochdruck spielen könnte, die vielleicht sogar wichtiger ist als die von Natrium. Bereits 1929 konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die Verabreichung von Natriumbicarbonat an Hypertoniker nicht die gleiche blutdrucksteigernde Wirkung hatte wie Natriumchlorid (Berghoff & Geraci, 1929). Das gleiche gilt für den Vergleich zwischen Natriumchlorid und Natriumphosphat (Shore et al., 1988). Als interessantester Ersatz für die Chlorid-Komponente in Natriumchlorid fungiert jedoch das Citrat-Molekül.
Citrate sind als basenbildenden Anionen sehr wichtig für den Stoffwechsel unserer Zellen, insbesondere für den Säure-Basen-Haushalt. In den Mitochondrien (Zellkraftwerken) bindet ein Citrat-Molekül drei Säure-Moleküle, die im Citratzyklus dann zu Energie umgewandelt werden. Der Citratzyklus bildet den zentralen Kreislauf im menschlichen Energiestoffwechsel.
Dass auch die Regulation des Blutdrucks bei salzsensitiven Personen durch Störungen des Säure-Basen-Haushalts beeinflusst wird, beweist die enge Verbindung zwischen Säure-Basen- und Mineralstoff-Haushalt. Dies wurde in einer Studie an Personen mit normalem Blutdruck nachgewiesen (Sharma et al., 1990): Eine salzreiche Ernährung senkte den arteriellen pH-Wert und den Bikarbonat-Puffergehalt in der salzsensitiven Gruppe im Vergleich zu der Gruppe ohne Salz-Sensitivität deutlich ab. Im Gegenzug wurde der mittlere arterielle Blutdruck durch Natriumchlorid in den salzsensitiven Personen erhöht. Natriumcitrat hatte eine deutlich andere Wirkung: Während der pH-Wert und die Bikarbonatspiegel in beiden Gruppen erhöht wurden, bestand kein Einfluss auf den Blutdruck.
Eine weitere Studie von Kurtz et al. (1987) bestätigt die Ergebnisse: Natriumchlorid erhöhte zusätzlich zu einer Blutdrucksteigerung auch das Plasmavolumen, was wiederum als mögliche Ursache für die Blutdrucksteigerung gesehen wird. Natriumcitrat hingegen erhöhte weder den Blutdruck noch das Plasmavolumen.
Artfremde, kochsalzreiche Ernährung und säurebildende Ernährung erhöhen den Blutdruck
Mit der Industrialisierung hat sich die Mineralstoffzusammensetzung in unserer Ernährung stark verändert. Vor der Entwicklung der Landwirtschaft und noch heute bei Naturvölkern haben die Menschen täglich nur 0,8 g Natrium, aber 10,5 g Kalium zu sich genommen. Das Verhältnis von Kalium zu Natrium hat sich etwa um den Faktor 30 zum Natrium verschoben. Mit dem Natrium-Kaliumverhältnis hat sich analog das Säure-Basen-Verhältnis, insbesondere das Basen-Chlorid-Verhältnis stark zum säurebildenden Chlorid verschoben (Frassetto et al., 2001). Diese für uns artfremde Ernährungsweise hat ihren Preis: Der Mensch ist das einzige Säugetier mit einem tödlichen Hypertonie-Problem. Die ursprüngliche Ernährung des Menschen war reich an pflanzlicher Kost mit vielen organisch gebundenen basenbildenden Mineralstoffen, wie Kalium, Calcium und Magnesium. Heute besteht die Hauptenergiezufuhr aus verarbeiteten Nahrungsmitteln, wie z. B. Fleisch, Wurst und Käse, welche reich an säurebildenden Mineralstoffen in Form von Natriumchlorid (Kochsalz), Sulfat und Phosphat sind. Natriumchlorid, Sulfat, Phosphat und tierisches Protein führen bei dauerhaft hoher Zufuhr zu einer übermäßigen Säurelast. Eine säurebildende Ernährung erhöht insbesondere auch den Blutdruck. Dies ist schon bei Kindern und jungen Erwachsenen nachweisbar.
In einer Studie an 257 gesunden Kindern im vorpubertären Alter konnte der Einfluss einer säurebildenden Ernährungsweise auf den Blutdruck nachgewiesen werden. Bei einem Anstieg der Netto-Säureausscheidung oder des über den Urin berechneten PRAL-Wertes (PRAL: potential renal acid load) um 10 mEq erhöhte sich der systolische Blutdruck um 0,6-0,7 mmHg (Krupp et al., 2014).
Studien belegen außerdem, dass insbesondere Salz aber auch tierisches Protein nicht nur den Blutdruck, sondern auch die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol erhöhen. Cortisol fördert die Ausscheidung der Mineralstoffe Calcium, Magnesium und Kalium über den Urin und begünstigt damit die Übersäuerung zusätzlich. Gleichzeitig fördert Cortisol die Ansammlung von Natriumchlorid im Körper, führt zu Wasseransammlungen und erhöhtes Plasmavolumen sowie erhöhten Blutdruck. Cortisol spielt also eine entscheidende Rolle im Schädigungsmechanismus einer säurebildenden und salzreichen Ernährung.
DASH-Diät und Natrium-Reduktion führen zur Reduktion des Blutdrucks um bis zu 20 mmHg
In einer amerikanischen Studie mit über 400 Personen konnte durch die Kombination von Natrium-Reduktion mit DASH-Ernährung bei Patienten mit Bluthochdruck der systolische Wert gesenkt werden. Der Effekt war dabei umso stärker, je höher der Ausgangswert des systolischen Blutdrucks war (Juraschek et al., 2017). Bei einem Ausgangswert von >= 150 mmHg lag die Senkung bei mehr als beeindruckenden 20,8 mmHg.
DASH steht für Dietary Approaches to Stop Hypertension und ist der offizielle Ernährungsplan des Gesundheitsministeriums der USA bei Bluthochdruck. Mit der salzreduzierten, kaliumreichen Diät steht eine wissenschaftlich bestens belegte Ernährungsweise zur Verfügung, die Bluthochdruck wirkungsvoll behandelt. Ein zentrales Ziel besteht darin, täglich nicht mehr als 5 g Salz und nur wenig gesättigte Fettsäuren (tierische Fette), dafür aber reichlich gesunde basenbildende Mineralstoffverbindungen wie Magnesium-, Calcium- und Kaliumcitrat, zu sich zu nehmen.
Kalium-Zufuhrempfehlungen der USA werden fast nie erreicht
Kalium ist der natürliche Gegenspieler des Natriums. Der Mensch braucht eine ausreichende Kaliummenge, um Hypertonie und Schlaganfällen, Natrium/Salz-Hypersensibilität, Nierensteinen und Osteoporose vorzubeugen und entgegenzuwirken. Das „Food and Nutrition Board“ der USA und Kanada empfiehlt zur Vermeidung dieser Erkrankungen für Erwachsene eine Einnahme von mindestens 4,7 Gramm Kalium pro Tag. Kalium kommt reichlich in Obst und Gemüse vor. Diese US-Empfehlung wird von 90 % der Frauen und 75 % der Männer in Deutschland nicht erreicht.
Bei unzureichender Aufnahme über die Ernährung können auch Ergänzungsmittel helfen. Die US-amerikanische Follow-Up-Studie von Ascherio et al. (1998) mit 43.738 Teilnehmern über einen Zeitraum von acht Jahren zeigte: Kaliumsupplemente senkten bei Hypertonikern das Schlaganfallrisiko um 58 % (4,3 g Kalium/Tag vs. 2,4 g Kalium/Tag), auch wenn die Kaliumaufnahme zu gering war, um den Blutdruck zu senken. Bei Personen, die zeitgleich kaliumausscheidende Diuretika einnahmen, konnte durch eine Kaliumsupplementierung das Schlaganfallrisiko sogar um 64 % gesenkt werden.
Die Metaanalyse von Larsson et al. (2011) aus zehn unabhängigen prospektiven Studien zeigt, dass das Ergebnis der Studie von Ascherio et al. kein Einzelfall ist: Im Durchschnitt konnte das Risiko für einen Schlaganfall pro Zufuhr von 1000 mg Kalium/Tag um 11 % gesenkt werden.
Eine hohe Kaliumzufuhr ist daher nachweislich gesund und trägt u. a. zur Aufrechterhaltung eines normalen Blutdrucks bei (zugelassener Health Claim der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit). Häufig wird jedoch vor einem zu viel an Kalium gewarnt. Dies verunsichert viele Menschen und kann zum unnötigen Vermeiden des wichtigen Mineralstoffs führen. Nur in bestimmten Fällen sollte man tatsächlich mit einer hohen Kaliumzufuhr vorsichtig sein.
Zur Verträglichkeit einer gesteigerten Kaliumzufuhr schreiben Aburto et al. (2013) in ihrer Meta-Analyse im Auftrag der WHO: „Eine erhöhte Kaliumaufnahme in Form von Supplementen oder über die Nahrung hatte bei Erwachsenen keine negativen Auswirkungen. Für Personen, deren Nierenfunktion nicht durch Krankheit oder medikamentöse Behandlung beeinträchtigt wird, ist eine Erhöhung der Kaliumzufuhr über die Nahrung ungefährlich. Personen mit beeinträchtigter Kaliumausscheidung über die Nieren sind bei einem erhöhten Kaliumkonsum gefährdet, eine Hyperkaliämie, eine ungesunde erhöhte Kaliumkonzentration im Serum, zu entwickeln. Dieses Risiko ist jedoch auf diese Patienten beschränkt, von denen die meisten unter ärztlicher Betreuung stehen.“
Eine Auswahl an Kalium-Supplementierungsstudien in Sebastian et al. (2006) zeigt, dass bei normaler Nierenfunktion sogar Mengen von 15,6 g Kalium am Tag gut vertragen werden. (Diese hohe Kaliumaufnahme diente der Testung der Toxizität und ist natürlich weder notwendig noch sinnvoll noch empfehlenswert.)
Kaliumangereichertes, natriumreduziertes Speisesalz senkt Schlaganfallrisiko um bis zu 50 %
Allein eine Reduktion von Natrium in der Ernährung kann das Sterblichkeitsrisiko bereits stark reduzieren: In einer Studie wurde bei über 20.000 Personen mit Bluthochdruck und/oder Schlaganfall in der Vorgeschichte die Auswirkung einer Natriumreduktion untersucht. Knapp fünf Jahre lange verwendete die Versuchsgruppe einen natriumreduzierten Salzersatz (75 % Natriumchlorid und 25 % Kaliumchlorid), während die Kontrollgruppe normales Speisesalz (100 % Natriumchlorid) nutzte. Im Versuchszeitraum war in der Gruppe mit dem Salzersatz das Risiko für einen Schlaganfall um 14 % niedriger als in der Kontrollgruppe, das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Ereignisse und das Risiko zu sterben 13 % bzw. 12 % niedriger (Neal et al., 2021). Das Kalium wirkt den blutdruckerhöhenden Auswirkungen von Natrium effektiv entgegen – noch wirkungsvoller wäre aber auch ein Ausgleich des Chloridanteils.
In einer Interventionsstudie mit 1981 Bewohnern von Seniorenresidenzen wurde ebenfalls die Wirkung von kaliumangereichertem, natriumreduziertem Speisesalz (49 % Natriumchlorid, 49 % Kaliumchlorid) insbesondere auf die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit untersucht. Nach 31 Monaten hatten die Personen in der Interventionsgruppe (kaliumangereichertes Salz) im Vergleich zur Kontrollgruppe (normales Speisesalz) eine um knapp 40 % niedrigere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit, sie erlitten 70 % weniger Herzversagen, 50 % weniger zerebrovaskuläre Erkrankungen (z.B. Schlaganfälle) und entwickelten um 25 % seltener einen Diabetes mellitus (Chang et al., 2006).
Idealerweise sollte ein Blutdruck-Salz aus einem hohen Anteil Natriumcitrat und Kaliumchlorid bestehen. Auch etwas Natriumchlorid oder Kristallsalz ist aus Geschmacksgründen notwendig. Der gesündeste Salzersatz nützt wenig, wenn er nicht schmeckt und daher auch nicht verwendet wird. Das Natriumcitrat wirkt in unserem Körper basisch und ist daher weitaus besser für den Blutdruck als Natriumchlorid. Der Austausch von Natriumchlorid mit Kaliumchlorid verringert, wie die oben genannten Studien zeigen, die Sterblichkeit auf beindruckende Weise. Die damit einhergehende Reduzierung des täglichen Kochsalzkonsums und die Steigerung der Kaliumzufuhr sind eine relativ einfache Methode, etwas für die Gesundheit zu tun.
Verringerung des Salzgehalts könnte bis zu 24 Milliarden Gesundheitskosten einsparen
Eine Verringerung des Salzgehalts in der Nahrung um 3 g pro Tag würde die jährliche Zahl der Neuerkrankungen in den USA an KHK um 60.000 bis 120.000, die Zahl der Schlaganfälle um 32.000 bis 66.000 und die Zahl der Herzinfarkte um 54.000 bis 99.000 verringern und die Zahl der jährlichen Todesfälle aus jeglicher Ursache um 44.000 bis 92.000 senken. Der kardiovaskuläre Nutzen einer verringerten Salzaufnahme ist mit dem Nutzen einer bevölkerungsweiten Verringerung des Tabakkonsums, der Fettleibigkeit und des Cholesterinspiegels vergleichbar. Eine gesetzliche Maßnahme, die auf eine Verringerung der Salzaufnahme um 3 g pro Tag abzielt, würde jährlich zudem 194.000 bis 392.000 qualitätsbereinigte Lebensjahre und 10 bis 24 Milliarden Dollar an Gesundheitskosten in den USA einsparen (Bibbins-Domingo et al., 2010).
80 % geringere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit durch geringeren Salzkonsum & mehr
Als Positivbeispiel könnte Finnland dienen. In einer Kampagne der finnischen Regierung wurden in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelindustrie Siegel für besonders salzarme und salzhaltige Lebensmittel eingeführt. Daraufhin haben viele Lebensmittelunternehmen den Salzgehalt ihrer Produkte reduziert, indem sie das herkömmliche Speisesalz durch ein natriumreduziertes, kalium- und magnesiumangereichertes Mineralsalz ersetzt haben. Zudem wurde zu einer kaliumreichen Ernährung mit mehr Gemüse und Obst ermutigt.
Seit Beginn der Kampagne im Jahr 1972 bis 1992 sank der durchschnittliche diastolische und systolische Blutdruck um mehr als 10 mmHg (He et al., 2010). Gleichzeitig sank das Schlaganfallrisiko um 66 % (Männer) bzw. 63 % (Frauen) und die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um 55 % (Männer) und 68 % (Frauen) (Vartiainen et al., 1994; Vartiainen et al., 1995). Die weiteren Ergebnisse dieser Kampagne sprechen für sich: Der Salzkonsum ist um 40 % gesunken; die Sterblichkeit durch Schlaganfälle und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sank inzwischen sogar noch weiter um insgesamt 75-80 % bei Personen unter 65 Jahren. Gleichzeitig wurde ein beachtlicher Anstieg der Lebenserwartung um 5-6 Jahre festgestellt. Neben der Reduzierung des Salzkonsum haben die erhöhte Kaliumzufuhr durch die Verwendung des kaliumangereicherten Salzes, der erhöhte Verzehr von Obst und Gemüse, eine Verringerung der Fettzufuhr und ein Rückgang der Raucherquote bei Männern eine wichtige Rolle für den Rückgang der Herz-Kreislauf-Erkrankungen gespielt. Zur gleichen Zeit stieg der Alkoholkonsum, was sicherlich nicht förderlich für eine geringere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit war – umso beeindruckender sind dafür die Ergebnisse der Kampagne (He et al., 2010; Karppanen & Mervaala, 2006).
Die Zahlen zeigen die enormen positiven Effekte auf die Volksgesundheit, auf das Leben der Menschen und die Kosten für das Gesundheitssystem. Daher sind schon viele andere Länder Finnlands Beispiel gefolgt. In vielen Ländern Europas sind natriumreduzierte Produkte, salzreduziertes Brot und Salzersatz-Produkte fest in Supermärkten etabliert. Deutschland bildet hier leider immer noch eine unrühmliche Ausnahme.
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Literatur
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